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"Unsere Lieferanten im Portrait":

Interview mit 

Familie Reichenberger

 vom Heuerhof in Elbergen

 

Hallo ihr beiden,

die wichtigste Frage vorab: Wie geht es den Hühnern? Haben sie den Winter gut überstanden?

Der Winter macht den Hühnern deutlich weniger aus als uns selbst. Hühnern macht Hitze mehr zu schaffen als Kälte. Da unsere Zweinutzungshühner aber besonders widerstandsfähig und robust sind, haben wir hier also absolut „aufs richtige Huhn“ gesetzt. Die aktuelle behördliche Stallpflicht nervt da schon deutlich mehr. Hier profitieren unsere Hennen momentan von der deutlich geringeren Besatzdichte durch die Bio-Haltung und unserem „Wintergarten“, der wöchentlich mit dem Hühnermobil auf dem Grünland verzogen wird und so immerhin ein frischer Weidefleck pro Woche durchgescharrt werden kann. Trotzdem sind wir froh, wenn dieser Hühner-Lockdown bald ein Ende hat!

Seit einem halben Jahr beliefert ihr uns mit frischen ökologisch erzeugten Hühnereiern, wie lange gibt es euch schon?

Da wir unseren Betrieb im Nebenerwerb im Herbst 2019 gegründet haben, waren die ersten Monate vollständig von Vorbereitungsarbeiten für die Tierhaltung und den Gemüseanbau geprägt. Marktfähige Produkte wie unsere Eier sind seit Juli 2020 verfügbar, ihr seid also Wegbegleiter ab „der ersten Stunde“

Wie seid ihr auf die Idee gekommen euch mit einem Hühnerhof selbständig zu machen?

Hier haben wir eine schöne Gemeinsamkeit mit euch, denn auch bei uns kam die Gelegenheit der Sinnsuche und Neusortierung der Lebensverhältnisse während einer längeren Auszeit vom Alltag. Auf unserer 10-monatigen Weltreise mit verschiedenen Farmstays in z.B. Chile, Argentinien und Kambodscha haben wir Impulse ohne Ende für einen Neustart gesammelt. Sehr prägend war danach auch ein Wochenend-Aufenthalt auf dem Dottenfelderhof. Das ist ein alteingesessener Demeter-Hof bei Frankfurt, auf dem über 100 Menschen als Arbeitsgemeinschaft zusammenleben. Hier haben wir das erste Hühnermobil in Betrieb angeschaut und viele wichtige Informationen zu dem praktischen Umsetzen nachhaltiger Landwirtschaft gesammelt und direkt mit einem konkreten Plan verbunden: Wir reaktivieren die alte Hofstelle, in der wir seit einigen Jahren leben und gründen einen Bio-Hof.

Ihr steckt viel Herzblut und Leidenschaft in eure Arbeit, woher nehmt ihr die Energie und den Mut?

Die Energie nehmen wir aus der Überzeugung, dass wir nicht auf positive Veränderungen warten, sondern diese selbst aktiv mitgestalten müssen. Wir schöpfen bei aller körperlichen Anstrengung sehr viel Kraft aus unserer täglichen Arbeit. Das liegt zum einen an dem unmittelbaren Sinn, den wir in unserem Tun erkennen können, andererseits an dem schönen Umfeld, in dem wir unsere Lebenszeit als Familie verbringen dürfen. Lebensmittelerzeugung ist sehr komplex und wir lernen ständig neue Zusammenhänge dazu. Das sind elementare Dinge, die wir und viele andere nie in der Schule oder von zuhause mitbekommen haben. Und hier sehen wir unsere Chance, die uns Mut fassen lässt: Wir können mit unserer eigenen neuen Erfahrung einen authentischen Beitrag dazu leisten, Menschen, die sich dafür interessieren, die Landwirtschaft näher zu bringen. Uns gelingt das auch bereits in einem kleinen Projekt unseres Hofes, unserer solidarischen Landwirtschaft (SoLaWi), wo wir zunächst mit 16 Familien gemeinsam Gemüse anbauen und uns die Ernte teilen.

Welche Hürden gilt es zu überwinden? Gab es eventuell Rückschläge?

Hürden gibt es für uns ständig und unsere fehlende Erfahrung macht uns da manchmal zunächst etwas hilflos: das beginnt beim Trecker, der nicht mehr anspringen will und endet bei dem Verlust einer Ernte, weil der Acker aufgrund Nässe nicht mehr befahrbar ist. Auch manuelle Unkrautbekämpfung war uns in dieser Dimension fremd und kann durchaus auch mal überfordernd sein. Unser Kohl wurde letztes Jahr von Raupen vertilgt, unsere Gelbe Beete von Mäusen, daneben verschlingt die Bürokratie wertvolle Zeit. Aber mit jeder Hürde gibt es eine Lernkurve und wir versuchen das alles mit Humor zu nehmen und einige Dinge beim nächsten Mal einfach besser zu machen.

Die für uns größte Herausforderung ist es aber in unserer Nähe Flächen zur Bewirtschaftung zu finden. Wir sind nach wie vor hier am Ort auf der Suche nach Acker- und Grünland, um noch etwas wachsen und eines Tages den Hof im Vollerwerb führen zu können, denn wir haben noch sehr viele Ideen, die wir gerne umsetzen würden.

 

Seit Kurzem seid ihr Demeter zertifiziert. Könnt ihr das Demeterkonzept kurz erklären und beschreiben, wie ihr das auf eurem Hof umsetzt?

Bei der biologisch-dynamischen Sichtweise wird der gesamte Hof als ein Organismus verstanden, Mensch, Pflanze, Tier und Boden werden wie Organe gesehen, die nur im Zusammenspiel funktionieren. Zielsetzung ist es, alle Kreisläufe wie Nährstoffe oder Futter bis hin zum Endprodukt möglichst selbst zu schließen und alle Bausteine ohne Rückstände sinnvoll selbst zu verwerten. Tierhaltung ist verpflichtend, da diese ein wertvoller Teil dieses nachhaltigen Gesamtkonzeptes ist. Dieses Prinzip wurde früher ganz selbstverständlich gelebt und ist durch den Strukturwandel in der Landwirtschaft immer mehr abgeschafft worden. Punktuelle Effizienz in der Produktion, die wirtschaftliche Vorteile mit sich bringt, schafft heute oft Risiken und Abhängigkeit von Zulieferern und Abnehmern und zwingt die Betriebe oft zu einem ungesunden Wachstum.

Der Demeter-Gedanke sorgt für ein gutes Stück Resilienz, das finden wir sinnvoll und ist ein klares Statement zu Regionalität, aber auch einem generationenübergreifenden Wirtschaften – gerne auch „enkeltaugliche Landwirtschaft“ genannt. Demeter bezeichnet das Ganze selbst als „Erkenntnisweg“ und genauso sehen wir unseren Betrieb: Als eine Einheit, die nicht am Ende ihrer Entwicklung steht, sondern mittendrin und die wir gerne mit allem, was wir hier vorfinden, weiterentwickeln möchten. Im Moment beschäftigen wir uns mit dem Thema „Kompostierung“ und „Verbesserung der Bodenqualität“ und das wird uns hier auch wohl ein ganzes Leben begleiten. Die mittelfristigen Ziele für uns sind neben überwiegend selbst angebautem Futter für alle Tiere die eigene Nach- und Aufzucht der Hennen und Bruderhähne mit eigener Schlachtung und die vollständige Vermarktung in unserer Region.

Auf die Eier bezogen, worin liegt der Unterschied zu anderen Biosiegeln?

Wir haben unsere eigene Hof-Philosophie und die geht über das von Demeter Geforderte zum Teil auch hinaus. Was uns besonders gut gefällt: Demeter geht Themen immer sehr ganzheitlich an. Der Unterschied beginnt schon bei der Genetik der Hühner selbst. Hier haben wir uns für echte Zweinutzungshühner aus bäuerlicher Zucht der ÖTZ gGmbH entschieden, aus unserer Sicht neben der Erhaltungszucht alter Hühnerrassen die einzige zukunftsgerichtete Alternative zum Kükentöten, da Hahn und Henne schon aufgrund ihrer genetischen Veranlagung wieder ihren eigen Wert haben. Dies geht auch schon im Ansatz weit über andere aktuelle Programme der Bruderhahnaufzucht in der Bio-Branche hinaus, die weder die Abhängigkeit von Konzernen noch die Probleme der einseitigen Leistungszucht vermindern und so nur Übergangslösungen sein können.

Ein weiterer Punkt ist die Haltungsform im Mobilstall, kein Demeter-Muss aber lt. Richtlinien die „beste Haltungsform“, daneben das Thema der Fütterungskomponenten im Rahmen eines Hof-Organismus. Das Haltungskonzept an sich wird immer weiter verbessert, man arbeitet niemals am Mindeststandard der EU- sondern möchte unter den Verbänden als Vorreiter für Tierwohl und Produktqualität stehen.

Wir haben im vergangenen Herbst bereits tolle regionale Süßkartoffeln von euch geliefert bekommen, plant ihr auch weiteres Gemüse anzubauen?

Auf jeden Fall! Unsere Anbauplanung steht natürlich schon und auch die Süßkartoffel ist wieder am Start. In unseren Folientunneln wartet noch die ein oder andere Überraschung auf euch. Zudem bauen wir Emmer an, eine alte bekömmliche und proteinreiche Getreideart, aus der wir in regionalen Kooperationen leckere Backwaren auflegen wollen.

 

Was wünscht ihr euch für die Zukunft?

Wir wünschen uns einen breiten gesellschaftlichen Konsens darüber, was eine zukunftsfähige, regenerative Landwirtschaft auszeichnet und ein Bewusstsein und die Bereitschaft von allen Beteiligten, dem gemeinsam aktiv eine Chance zu geben. Dann ist Bio mehr als ein Trend und Landwirtschaft im Allgemeinen wieder mit der Wertschätzung verbunden, die sie verdient!

 

Zum Abschluss noch eine philosophische Frage: Was war denn nun zuerst da – das Huhn oder das Ei?

Das ist natürlich immer eine Frage der Perspektive: Bei uns das Huhn – bei euch das Ei! :)

 

Vielen Dank für eure Zeit und das interessante Interview!

Ich bin Biobotin (fast) der ersten Stunde und regelmäßig an der Packstelle zu finden. Ich interessiere mich sehr für unsere Lieferanten, deren Produkte und Überzeugung und stelle diese hier vor.

 

Liebe Grüße

Isabel